Konsolen vs. Patches

«In these days of launch patches it's hard to say whether connection problems will be an issue by the time you play Hunted, but we fared reasonably well pre-release over Xbox Live.»
Das schreibt Eurogamer im Test zu - Überraschung - Hunted: Die Schmiede der Finsternis und spricht eine unbequeme Wahrheit aus: Patches und selbst Day-One-Bugfixes sind auf Konsolen keine Besonderheit mehr. Natürlich waren Konsolenspiele niemals fehlerfrei, selbst Klassiker wie Final Fantasy III. Die Diskussion, ob Spiele früher™ grundsätzlich weniger Bugs aufwiesen, soll hier nicht geführt werden, aber es dürfte klar sein, dass moderne Spiele zumindest technisch wesentlich komplexer und damit fehleranfälliger sind. Während im Jahr 2000 die N64-Module der Erstauflage von WWF No Mercy wegen eines Speicherbugs noch umgetauscht werden mussten, können Spielehersteller heutzutage die Internetfähigkeit der Konsolen für Patches nutzen.

Grundsätzlich begrüße ich natürlich Patches, die Fehler beheben oder gar Neues hinzufügen. Durch langanhaltenden "Post-Launch-Support" sind manche Spiele zu ganz neuer Qualität gelangt. Gleichzeitig nutzen die Hersteller die Möglichkeit des Patchens eiskalt aus und werfen unfertige bis unspielbare Titel auf den Markt, die dann in den Tagen nach Erscheinen mit massig Software-Flicken bedacht werden. Hoffentlich. Wer heute ein Spiel zum Release kauft, ist oft der Dumme: Ob und wie sehr Fehler in Vorabtests auftreten und dann thematisiert werden, ist schwer nachvollziehbar. Man kann sich nicht auf kurz- und langfristige Unterstützung des Herstellers verlassen. Und oft sinken Spiele schnell im Preis oder sind eh billig auf dem Gebrauchtmarkt verfügbar. Dem versuchen die Publisher mit exklusivem DLC für Vorbesteller und ätzenden Konstrukten wie EAs Online Pass entgegenzuwirken.

Ebenso versuchen die Konsolenhersteller den vom PC bekannten und gefürchteten Wildwuchs von Patches einzudämmen, indem alles erst geprüft und zertifiziert werden muss, bevor es online geht. Die genauen Bedingungen sind meines Wissens nicht öffentlich zugänglich; angeblich muss jeder Patch eines 360-Spiel, euphemistisch "Title Update" genannt, bei Microsoft bezahlt werden und darf zudem nur bestimmte Änderungen vornehmen. Auf jeden Fall nimmt der Zertifizierungsprozess eine gewisse Zeit in Anspruch, die jedoch offenbar stark schwankt.

Es ist ein besonderer "Spaß", die Update-Historie von Konsolenspielen nachzuvollziehen. Auf dem PC gibt es meist eine dem Patch beiliegende Textdatei, in der die Änderungen aufgeführt werden, auf Konsolen ist dies so nicht möglich (man kann glücklich sein, wenn im Spiel eine Versionsnummer angezeigt wird). Also ist man darauf angewiesen, dass der Publisher oder Entwickler anderweitig Informationen zum Update bereitstellt. Ohne empirische Untersuchung behaupte ich, dass in der Frühzeit der Konsolenpatches Changelogs Mangelware darstellten. Mittlerweile finden sich entsprechende Infos zumindest irgendwo, wenn auch gerne etwas versteckt und verstreut: Mal werden Patches als News vom Publisher angekündigt, mal im Blog des Entwicklers, dann im Forum der offiziellen Spielewebsite - und Twitter und Facebook gibt es auch noch. Ärgerlich ist's, wenn sich der Veröffentlichungsort von Update zu Update ändert oder die Changelogs eher allgemein gehalten sind! Grundsätzlich sind die englischsprachigen Webpräsenzen und Foren des jeweiligen Entwicklers als erste Anlaufstelle zu empfehlen, während die offiziellen Spieleseiten oft veraltet sind.

Die Fachpresse hat sich in meinen Augen bei dem Thema Patches bisher nicht mit Ruhm bekleckert. Mittlerweile wird je nach Lust und Laune auf Patches in den Online-News hingewiesen, in den Heften spielte das Thema aber kaum eine Rolle, nicht in Form von reinen Meldungen, nicht als kritische Auseinandersetzung mit Konsolenpatches an sich. Im PC-Sektor ist es nur unwesentlich besser, die GameStar z.B. hat vor einiger Zeit ihre kleine Patch-Rubrik entsorgt (obwohl im "Freispiel" Mods, DLC etc. behandelt werden und Bugs sich auf Wertungen auswirken können) - das passt generell zu Spielemagazinen, wo die meisten Spiele nach dem Erscheinen bzw. dem Test vergessen werden. Fairerweise muss zugestanden werden, dass es kaum möglich ist, jeden Patch eines jeden Spieles genau vorzustellen.

Ich habe mir nun die Spiele Brink, Homefront und Section 8: Prejudice für Xbox 360 angeschaut (selbst gespielt habe ich nur S8P). Alle drei Ego-Shooter mit Fokus auf Online-Mehrspieler kamen dieses Frühjahr mit schwerwiegenden technischen Mängeln auf den Markt, was auch die Frage aufwarf, inwiefern Vorabtests noch nützlich oder möglich sind.

Brink

Bereits zum US-Verkaufsstart des Spiels am 10. Mai gab es den ersten Patch, der das von Freezes und Lags geplagte Spiel aber wohl nur unmerklich verbesserte. Angesichts dessen und eher verhaltener Reviews wurde am 13. Mai der erste DLC angekündigt, der kostenlos sein sollte! Am 20. Mai bloggte der Entwickler Splash Damage zum Fortschritt des nächsten Patches, der bereits an Microsoft geschickt worden sein soll und am Ende der nächsten Woche verfügbar war. Der angekündigte DLC soll im Juni erscheinen und wirkt ziemlich umfangreich. Ausgehend von den Foren ist das Spiel aber von Fehlerfreiheit noch weit entfernt...

Homefront

Auch das neue Spiel der KAOS Studios war in keinem guten Zustand beim US-Launch am 15. März; ein Fehler konnte das Online-Spielen unmöglich machen! Am 17. März wurde erstmals ein Patch angekündigt, am 22.3. erneut, bis er am 31.3. endlich erschien und vor allem den erwähnten "Profile Freeze"-Bug behob. Ein größeres Update sollte auf dem Fuße folgen, aber erst am 25. April wurde verkündet, dass an diesem Tag ein neuer Patch an Microsoft geschickt worden war. Einen Monat später - am 26. Mai - ging dieser Patch online, dessen Changelog deutlich uninformativer war als das jüngste der mit regelmäßigeren Updates bedachten PC-Version. Gleichzeitig wurde für den 7. Juni der erste DLC angekündigt, ein Kartenpaket mit zwei Maps. "This is just the first small taste of anticipated robust updates that will be coming to Homefront." Bemerkenswert, dass DLC erst zweieinhalb Monate nach Release erscheint; das Mappack soll übrigens nur 240 Microsoft Points kosten.

Section 8: Prejudice

Dies ist der Nachfolger von TimeGates 2009er Section 8, jetzt aber als Download-only-Spiel. Am 20. April war es verfügbar und bald wurden im Forum zufällige Freezes gemeldet. Am 26. April war dann das erste Update erhältlich, welches jedoch keine große Besserung brachte. Nun begann das Warten auf den nächsten Patch, begleitet von folgenden Forumseinträgen:
«We have identified the cause of the problem and are working hard to get a fix ready for you. [...] All of us at TimeGate Studios are committed to providing you the best post launch support of any title on the market [...].» (02.05.)

«We are now aware of what is causing the issue and are actively working on it until it's resolved. We will be releasing an update in the very near future.» (09.05.)

«[...] we are aware of what is causing the problem, and have internally fixed the hard-lock! [...] We are actively working on packaging up the fix in our next Title Update, and will have more information for you soon. We remain committed to providing our community the best post-launch support of any title on the market.» (13.05.)

«I can assure you that we are working very hard to get the patch out as quickly as possible. We have fixed the issue internally and we will be releasing the patch very soon.» (24.05.)

«The Title Update has passed certification and will be available June 1st, 2011. We have been listening to the community, and this update will address a number issues, including the hardlock, auto balance, and other matchmaking issues. Stay tuned for details next week. [...]» (27.05.)
Am 27. Mai wurde zuvor der erste DLC angekündigt wurde, ein kostenpflichtiges Mappack mit zwei Karten. Erst einige Stunden später wurde endlich das Erscheinen des Patches bekanntgegeben, nachdem im Forum sich zurecht Unmut regte. Mittlerweile sind DLC (320 Punkte) als auch Update erschienen, jedoch tauchten im Forum schon Meldungen auf, dass das Spiel immer noch einfriert; ich hatte "nur" eine Handvoll Freezes und seit dem letzten Patch keine mehr.

Schlussbemerkungen

Auffällig an obigen Spiele ist, dass sie alle von Entwicklern kommen, die ursprünglich im PC-Bereich zu Hause waren... Man könnte hier auch noch CryTek bzw. Crysis 2 erwähnen, das ebenfalls technische Fallstricke aufwies und seit US-Release am 22. März monatlich einen Patch bekam; der vierte Patch, der endlich den "Grain Bug" beheben soll, ist überfällig.

Microsofts Zertifizierungsprozess hat auch seine Grenzen: Die Spiele besaßen zum Erscheinen alle schwerwiegende Fehler, die nötigen Updates verzögern sich aber durch die Qualitätsprüfung. Dabei gibt es große Unterschiede: Brink bekam innerhalb von zwei Wochen das jüngste Update, bei Homefront verging ein ganzer Monat nach der Einreichung bei Microsoft - das Spiel wurde zwei Monate nicht gepflegt -, während bei S8P ganze fünf Wochen nach dem ersten Patch ins Land zogen, aber nicht klar ist, wann er an MS geschickt wurde.

Einige der genannten Titel sollen auf dem PC sogar besser laufen, was die Qualitätssicherung der Konsolenhersteller nicht gut aussehen lässt. Sicher haben die Konsolenspiele im Schnitt eine höhere Grundqualität, weil der Schrott nicht durchkommt, aber die Zeiten, in denen Spiele auf Konsolen ohne Probleme liefen, scheinen vorbei (Obsidian...). Und auf dem PC können die Benutzer oft selbst versuchen, Probleme zu lösen, es sei nur an die vielen Fanpatches erinnert. Zum Teil umgehen die Entwickler die Zertifizierung, indem vieles auf den Servern geregelt wird: Sowohl bei Brink als auch Homefront gab es derartige Anpassungen, während Section 8: Prejudice das gesamte Balancing auf diese Weise regelt und neben den Title Updates konstant via "Hotfixes" daran schraubt.

Der Trend kann also nicht zufriedenstellen, denn der Vorteil von Konsolen ist schlicht: Zocken funktioniert einfach! Kein Treiberhickhack, kein Herumkonfigurieren, kein Aufrüsten, stabile Games. Dafür akzeptiert man höhere Spielepreise, gibt die Kontrolle über die Software ab, kann im schlimmsten Fall nicht online spielen (PSN...) und zahlt für Zusatzinhalte, die auf dem PC oftmals umsonst sind.

Wenn die Vorteile nun erodiert werden und damit langsam das eintritt, was Schwarzseher beim Auftauchen der ersten Konsolenpatches befürchteten, kann ich den Xbox-Controller auch am PC anschließen und meine Erfolge via Steam sammeln. Aber will ich das?

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Ben (Gast) am 2011-06-04 17:58

Hmmm

Vielleicht bin ich da naiv, aber nicht kaufen hilft.

JoWood habe ich durch meinen Boykott bezwungen. ;-)

HomiSite am 2011-06-05 01:34

JoWood ist aber primär PC-Publisher gewesen, oder? Trotzdem ist der Nichtkauf natürlich ein Mittel, wird jedoch IMO kaum den anscheinenden Trend bei Konsolenspielen umkehren (mehr Bugs und mehr Patches, die aber im Ggs. zum PC länger brauchen).

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