Embedded Documentarists: Armadillo & Restrepo

Aktuelle Kriegsbilder sind in unserer heutigen Medienwelt nichts ungewöhnliches mehr. Von den sauberen Materialschauen des Zweiten Golfkriegs über vermeindlich authentischen "eingebetteten Journalismus" im Irakkrieg bis zu allgegenwärtigen HD-Kameras, Videohandys und Leaks via Internet ging der Fokus immer näher heran. Die beiden Filme Armadillo und Restrepo wollen nun den Soldatenalltag in den titelgebenden Außenposten unmittelbar aus Sicht der Beteiligten zeigen, während das Dokumentationsgenre als seriös-authentifizierender Rahmen fungiert.

Armadillo (2010) von Janus Metz begleitet dänische Soldaten in der Provinz Helmand in Südafghanistan 2009. Abgesehen von Abreise und Heimkehr bleibt der Film kommentarlos und weitgehend teilnahmslos in Afghanistan. Die Neuankömmlinge werden schnell von der Wechselwirkung aus Camp-Langeweile und der steten Bedrohung durch die Taliban erfasst. Das zähe Ringen um das Vertrauen der Bevölkerung gepaart mit vorsichtiger Paranoia führt immer wieder zu Kollateralschäden, die mit Geld vergolten werden. Die Erscheinung der Soldaten ist zunehmend heruntergekommen, einer ähnelt gar erschreckend der Titelfigur der Medal of Honor-Neuauflage. Einem filmischen Finale entsprechend gerät schließlich eine Patrouille in ein unübersichtliches Feuergefecht, aus dem die dänischen Soldaten als Sieger mit einem langanhaltenden Hochgefühl hervorgehen. Ein Großteil wird laut Abspann einen weiteren Einsatz in Afghanistan bestreiten.

Restrepo (2010) von Tim Hetherington und Sebastian Junger zeigt eine US-Einheit im Korengal-Tal im Osten Afghanistans 2007 bis 2008. Schon der Vorspann klärt auf, dass dies eine der gefährlichsten Regionen sei, in der Amerikaner stationiert sind. Im Gegensatz zu Armadillo werden immer wieder Interviews der Soldaten eingespielt, Guido-Knopp-Style, es finden auch öfters Interaktionen mit der Kamera statt. Restrepo ist ein winziges, dem eigentlichen Außenposten vorgelagertes Camp, benannt nach einem getöteten Kameraden, welches im Film errichtet wird und die Sicherheitslage in der Region verbessern soll. Der Abspann verrät, dass die USA im April 2010 das Tal nach fast 50 Verlusten aufgaben. Anscheinend haben die Soldaten schon Erfahrungen mit derartigen Sisyphos-Projekten, denn sie sind deutlich abgeklärter und unnachgiebiger als die Dänen: Der Kommandant schnauzt die Dorfältesten an, monetäre Entschädigung für Kollateralschäden gibt's nicht. Während die Lager ähnlich heruntergekommen aussehen wie Armadillo, ist die technische Ausstattung der Amerikaner deutlich besser: Die Dänen starten Dronen von Hand, hier werden konstant Apaches und Bombenangriffe angefordert, während die Umgebung mit speziellen Sichtgeräten beobachtet wird.

Neben der vorherrschenden Resignation und Ignoranz kommt natürlich auch der Kampfrausch der Soldaten vor. Während Armadillo sich darauf konzentriert und einem "echten" Hurt Locker entsprechend die Sucht- und Verrohungswirkung darstellt, zeigt Restrepo überraschend emotionale Zusammenbrüche der gemeinhin als tough porträtierten US-Soldaten: Der Tod in einer aus westlichen Augen für Afghanistan untypischen Schnee- und Waldlandschaft.

Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Beide Werke sind ungemein packend. Ich hatte das Gefühl, Dinge zu sehen, die man so bisher nicht kannte: die Unmittelbarkeit, die Echtheit der Todesgefahr. Und doch hinterfrug ich konstant das Gezeigte, denn Montage und Musik entsprechen den Konventionen fiktionaler Filme. Besonders bei Armadillo wirkt es so, als ob die Filmemacher gar nicht vor Ort sind, unsichtbar, weil kein Austausch mit den Soldaten stattfindet. Es mag sein, dass unter so gefährlichen Bedingungen man die Kamera schneller als üblich vergisst, aber in Restrepo interagierten Soldaten auch mal damit.

Teils werden örtlich getrennte Szenen montiert und es ist nicht nachvollziehbar, ob alles tatsächlich gleichzeitig passiert und wie viele Kameraleute nun eigentlich gerade beteiligt sind. Musikalische Untermalung und Hubschrauber in Zeitlupe lassen derweil an Apocalypse Now denken, während mir Blair Witch Project einfällt, wenn sich der Kameramann unter Beschuss wenig elegant in den Staub wirft. Verrückt, diese unsinnige Rückkopplung! Vielleicht habe ich die zwei Dokumentationen konstant mit Hollywoodfilmen abgeglichen, weil auch eine klassische Dramaturgie existiert: In Restrepo wird das Camp aufgebaut und schließlich bei einem unübersichtlichen Kampf gegen unsichtbare Feinde ein Kamerad tödlich verwundet. Armadillos Finale ist der direkte Feuerkampf - festgehalten mit Helmkameras. "Da hatten die Macher aber Glück, dass sich alles in passender Reihenfolge ereignete", war mein Gedanke.

Tim Hetherington und sein Fotografenkollege Chris Hondros kamen am 20. April im syrischen Misrata durch einen Mörserangriff ums Leben.

Armadillo
DK 2010 | IMDb | OFDb
Regie: Janus Metz (Pedersen)
Kamera: Lars Skree u.a.


Restrepo
USA 2010 | IMDb | OFDb
Regie: Tim Hetherington, Sebastian Junger
Kamera: Sebastian Junger, Tim Hetherington u.a.
delight14 (Gast) am 2011-04-24 16:24

Junge, verdien Deinen Lebensunterhalt mit Schreiben! Du kannst es doch - das mein ich ohne Witz oder Schmeichelei!

HomiSite am 2011-04-24 19:25

Danke! Und doch hadere ich mit fast jedem meiner Texte. Frohe Ostern ;-).

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