Von dem Winamp zu dem Cube zu der Bee

Der bekannte Audio- und Mediaplayer Winamp samt zugehöriger Webdienste wird im Dezember 2013 nach 15 Jahren eingestellt. Diese Nachricht kam überraschend, andererseits vielleicht nicht unerwartet, denn Misswirtschaft und Fehlentscheidungen hatten zu großem Bedeutungsverlust des einstigen Platzhirsches geführt. Und man kann sich zudem fragen, welchen Stellenwert lokale Audioplayer und Musiksammlungen heutzutage für junge Medienkonsumenten noch haben in Zeiten von Netzangeboten wie YouTube, Bandcamp, SoundCloud, Spotify oder Google Play.

Winamp selbst ist für mich als Windows-Nutzer untrennbar mit dem Entdecken des MP3-Formats Ende des letzten Jahrhunderts verbunden, denn das erste derart komprimierte Lied wurde mir eben in Winamp vorgespielt - wild 90s shit! Die Suche nach Skins und Visualisierungen dafür wurde fast wichtiger als das quälend langsame Herunterladen von oft miserabel encodierten und nicht getaggten Songs per Modem ("hast du schon von diesem Napster gehört?"); ich erinnere mich an das Cthugha-Plugin auf mehreren (?) 1,44"-Disketten.

Mit iTunes kam Anfang der 2000er dann das Konzept der Medienbibliotek auf, das auch irgendwann von Winamp integriert wurde. Das interessierte mich aber nicht mehr, weil ich musikCube entdeckt hatte. Das Programm von Casey Langen hatte eine schlichte, aber nicht hässliche Oberfläche (keine Skins!) und vier Konzepte sollten in den kommenden Jahren alle anderen Player für mich verleiden: schnelle Musikbibliothek, zugängliche Suchfunktion, Filteransichten für Künstler, Alben etc. sowie eine Liste der aktuell abzuspielenden Lieder ("Now Playing").

Da leider die Weiterentwicklung von musikCube bereits 2006 endete und alle Versuche scheiterten, weitere Programmierer an das Projekt oder den Nachfolger zu binden, blieb ein zwar im Kern funktionierender Audioplayer übrig, dem jedoch eine Menge moderner Funktionen fehlten, dafür ebenso viele Fehler enthielt (wer sich "mC" anschauen möchte, beachte bitte diese Hinweise).

Ich war damals nicht bereit, in meinen Augen aufgeblähte Software zu benutzen (oft auf .NET aufsetztend, das ich aus Prinzip nicht installierte). Viele Programme waren überladen bis hässlich oder ließen liebgewonnenene musikCube-Bedienkonzepte vermissen. Und auf ein Fernstudium, um foobar2000 meinen Wünschen entsprechend konfigurieren zu können, hatte ich keine Lust.

So blieb ich beim musikCube, selbst als er unter Windows 7 nicht mehr so ganz sauber lief und Mitte 2013 zudem die Website und das Forum weitgehend abgeschaltet wurden. Parallel nutzte ich zeitweise noch den winzigen Billy, der zwar keine Medienbibliothek besaß, aber man konnte viele Tausend Lieder unschlagbar schnell durchsuchen und in eine Wiedergabeliste einreihen (wenn die Dateien gut benannt waren, da es nur rudimentären Tag-Support gab). Das Programm von Sanne Schaap lag drei Jahre auf Eis, bevor es 2008 noch einmal kurzzeitig erweitert wurde - leider nicht um Unterstützung für AAC/MP4, was mittlerweile ärgerlich ist. Und im Dateimanager meiner Wahl FreeCommander (neue Version auch heiß erwartet) gebe ich Audiodateien via MPC-HC wieder - kaum ein Programm startet schneller!

All die Zeit war Winamp übrigens immer noch mit Musikdateien unter Windows verknüpft. Das verkündete Ende nahm ich dann zum Anlass, mich noch einmal umzuschauen. In jüngster Vergangenheit hatte ich bereits Clementine entdeckt, der früher keine globale Suchfunktion bot, aber mittlerweile zu einem nützlichen und schnellen Player gereift war - leider ohne Filteransichten, dafür mit beachtlicher Internet-Integration. Letzteres ist auch die Philosophie von Tomahawk, dafür finde ich dieses Programm weitgehend unbedienbar. MediaMonkey war für mich ein Moloch, viele andere Programme boten einfach nicht die zentralen musikCube-Ideen oder waren mir zu unansehnlich.

Und dann stolperte ich über MusicBee von Steven Mayall. Ich bin mir sicher, dass ich mir den Player vor Jahren schon einmal angeschaut hatte, aber jetzt überzeugte er mich fast sofort: Mit ein paar Einstellungen sind alle Konzepte von musikCube vorhanden und dessen klares Look and Feel weitgehend reproduziert. Dazu viele nette und fortgeschrittene Ideen, auch wenn die zahlreichen Konfigurationsmöglichkeiten bisweilen verwirrend präsentiert werden. Und das Wichtigste: Die Weiterentwicklung ist noch quicklebendig. Yeah!

PS: Wo ich schon einmal bei halbtoten Anwendungen bin: Ohne eine simple (!) Erweiterung der Windows'schen Zwischenablage kann ich nicht leben und da habe ich bis heute keinen adäquaten Ersatz für die letzte 2008er Beta von Francis Gastellus ClipX samt Stickies-Plugin gefunden (Nachteil: Unregelmäßig sammeln sich Megabytes an temporären Dateien an, die man jedoch händisch oder via Winapp2.ini löschen kann). Und David Carpenters famoses Desktop-Suchprogramm für Datei- und Ordnernamen Everything wurde zwar zuletzt nach vier Jahren Stillstand weiterentwickelt, ist aber offiziell auch noch in der Betaphase.
Ben (Gast) am 2013-11-22 18:46

Windowswelt, huh?

Ich benutze tatsächlich iTunes, seit mehr als 10 Jahren ununterbrochen… auch wenn mir die reingeflanschte Verwaltung von Apps, Filmen und Telefonen ganz furchtbar auf die Nerven geht. Es tut sein Werk, die Suche ist schnell wie eh und je, meine dynamische Playlisten der ersten Stunden funktionieren immer noch. In der Zeit, die Du nach dem perfekten Player gesucht hast, habe ich vermutlich Podcasts gehört. :P

Allerdings hat sich halt so viel Musik irgendwo ins Web verlagert. Spotify (das ich ab und an zähneknirschend benutze, auch wenn man merkt, dass die Entwickler selbst wohl keine Musik hören), Bandcamp, Soundcloud, Youtube… und nix davon ersetzt die Lokale Bibliothek und nix davon spielt vernünftig mit ihr zusammen (Playcounts, Offline, mobil). Alles Mist.

"oft auf .NET aufsetztend, das ich aus Prinzip nicht installierte"
Absurd.

HomiSite am 2013-11-22 20:55

Ja, immer Windows (mal im Text ergänzt). ITunes hab ich "aus Prinzip" mir nie in der PC-Version angeschaut und die paar Mal, die ich es am Mac kurz ausprobierte, bin ich nicht mit warm geworden.

MusikCube hattee ich ja schon recht früh entdeckt, also hab ich durch eine Quest for the perfect Player nicht wirklich viel Zeit verloren, die ich in Podcasts - die ich immer noch händisch herunterlade, wenn sie im Feedreader aufschlagen... - hätte investieren können :-).

Spotify hatte ich ganz vergessen, weil ich bisher kostenpflichtige Streamdienste nicht nutze. Was meinst du denn damit, dass die Entwickler wohl keine Musik hören würden? Ansonsten ist das Web aber echt wichtig, zumindest zum Probehören: Wenn ein Song nicht in akzeptabler Quali auf YouTube o.ä. ist, werd ich grantelig.

Playcounts sind übrigens noch ein Punkt - die kann ich momentan nicht nach MusicBee transferieren... Und wegen .NET: K.A. ob dein "Absurd" ironisch gemeint war, aber ich bin zwar immer bei Microsoft geblieben, hab mich aber weitgehend deren Produkten verweigert - Silverlight? Weg damit! .NET? Ich will's nativ! Etc. :-)
Ben (Gast) am 2013-11-22 21:14

Spotify kann nicht zwischen verschiedenen Künstlern unterscheiden, die den gleichen Namen tragen. Selbst bei super-populären Dingern wie Genesis, hast du auf einmal Rap-Alben mit dazwischen… daraus schließe ich, dass sie selbst keine Musik mit ihrem Dienst Hören, oder es ihnen schlichtweg egal ist.

.NET, ich finde es ein bisschen merkwürdig, sich einer Schnittstelle zu verweigern von der man als Anwender nichts mitbekommt. Java-Programme auf dem Mac sind das Grauen, weil die Java-UI ganz schrecklich mit OSX kollidiert. Aber .NET? Naja, hat sich ja eh erledigt weil es inzwischen zur Win-Basisausstattung gehört.

nille (Gast) am 2013-11-22 22:11

Genesis ist keine Musik!!!

(Ich habe noch jahrelang mit "MP3Blaster" gehört. Jetzt aber nur noch Spotify oder gleich mit dem Ipod).

HomiSite am 2013-11-23 13:29

MP3Blaster, lol. Das schien ja echt oldschool/underground zu sein. DOS Chic!

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