Killerspiele revisited [Update II]

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD wurde unscharf festgehalten, etwas gegen "Killerspiele" zu tun, was immer man sich unter solchen Spielen auch vorzustellen habe.

Unter dem Eindruck der Geschehnisse in Emsdetten sahen sich führende Politiker nun gezwungen etwas zu unternehmen, obwohl Deutschland mit USK und BPjM die härtesten Jugendschutzorgane für den Mediensektor besitzt. Als lautesten machte sich der bayerische Bauerntrampel und angehender Ministerpräsident des Freistaats, Bayerns Innenminister Günther Beckstein, bemerkbar, der als "Erfinder" des Begriffs gleich ein Verbot der Herstellung "solcher" Spiele verlangt.

Eine Ausarbeitung für den Bundestag kam im Sommer 2006 zum Schluss:
«Der Bundesgesetzgeber ist generell nicht gehindert, ein Einfuhr-, Verkaufs-, Vermietund Verleihverbot für "Killerspiele" zu erlassen. Eine solche Regelung würde nicht per se gegen das Grundgesetz verstoßen. Jedoch ist im Hinblick auf die Berufsfreiheit der Hersteller und Händler dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Beachtung zu schenken. Darüber hinaus bedarf eine solche Regelung zur Wahrung der Bestimmtheit einer genauen Definition dessen, was als "Killerspiel" unter den Tatbestand fallen soll.»
Anfang Februar diesen Jahres brachte Bayern dann einen "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Jugendschutzes" in den Bundesrat ein, welches u.a. den "Virtuelle Killerspiele"-Paragraf einführen will:
«Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Spielprogramme, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen darstellen und dem Spieler die Beteiligung an dargestellten Gewalttätigkeiten solcher Art ermöglichen,
1. verbreitet,
2. öffentlich zugänglich macht,
3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt oder zugänglich macht oder
4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie im Sinne der Nummern 1 bis 3 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen.» (Hervorhebung von mir)
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen werkelt ihrerseits an einer Verschärfung des Jugendschutzes, aber nicht so radikal wie der bayerische Vorschlag. Generell steht von der Leyen hinter USK und BPjM, möchte aber Unschärfen in den Richtlinien ausmerzen. Als Kernpunkt sollen außerdem "extrem gewaltbeherrschte Trägermedien" automatisch per Gesetz für Kinder und Jugendliche ohne BPjM-Prüfverfahren verboten werden: "Es reicht in Zukunft schon, wenn das ganze Spiel von Gewalt beherrscht wird, auch ohne das Gewalt verherrlicht wird". Was immer das genau heißen mag.

Zudem wird ein deutlich sichtbarer Alters- und Inhaltshinweis auf entsprechenden Verpackungen gefordert, im Stile der Aufdrucke auf Tabakerzeugnissen. Zumindest das Alter ist aber bei den USK-Siegeln klar erkennbar, aber von der Leyen möchte wohl eher so etwas:

ResidentEvil

Der Deutsche Kulturrat brach Mitte Februar dann eine Lanze für Computerspiele und forderte die Kunstfreiheit ein. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse fand das aber nicht so witzig.

Update: Öffentlich-rechtliche Lobby-Arbeit für Bayerns Gesetztesinitiative (wurde in der 830. Plenumssitzung an Ausschüsse abgegeben) - am 22. Februar brachte das ARD-Magazin Panorama einen Beitrag zum Thema "Morden und Foltern als Freizeitspaß - Killerspiele im Internet" von Thomas Berndt und Sonia Mayr. Dabei wurde wie so oft mit der tendenziösen Präsentation von Halbwahrheiten (und Falschinformationen) gearbeitet, Günther Beckstein und andere "Killerspiel"-Gegner kamen zu Wort - u.a. ein Vertreter der Firma PAN AMP, welche als Anbieter eines Ego-Shooter-Filters von einem Verbot derartiger Spiele profitieren würde -, während die Spieler in Gestalt zweier Call of Duty-Fans repräsentiert wurden, die jedoch dezent freakig daherkamen und nicht die klügsten Äußerungen von sich gaben (hier alles nachzulesen und -schauen). Überhaupt wurde mittels Call of Duty auch versucht, den Bogen zu Nazis und Kriegsverharmlosung zu schlagen, während in den Spielausschnitten fleißig auf am Boden liegende Gegner geballert wurde (darf man eigentlich Szenen aus Spielen für Volljährige kurz nach 22:00 zeigen?). Es hagelte danach viel Kritik per E-Mail und im Forum, weswegen die Redaktion dort heute ein Statement veröffentlichte.

Golem.de hat am 26.02. einen zusammenfassenden Artikel zum Panorama-Beitrag und den dort interviewten CoD-Spielern veröffentlicht, während sich Telepolis am 28.02. in "Panorama, 'Killerspiele' und die Filter-Firma" mit der Firma PAN AMP beschäftigt. Über neuere Entwicklungen berichtet heise online am 02.03. in "ARD-Beitrag zu 'Killerspielen' weiter in der Diskussion".

Name

Url

Meine Eingaben merken?

[Unhandled macro: this.coComment]

Titel (optional):

Text:


JCaptcha - du musst dieses Bild lesen können, um das Formular abschicken zu können
Neues Bild

Bei falscher Captcha-Eingabe wird leider Dein Kommentar gelöscht! Speichere ihn daher vor dem "Sichern" z.B. in der Zwischenablage.

Eine E-Mail-Benachrichtigung bei neuen Kommentaren gibt es leider nur für registrierte und angemeldete Twoday.net-Mitglieder, benutze daher den RSS-Feed "Beiträge (kpl.) & Kommentare" oben rechts.

 

Trackback URL:
https://homisite.twoday.net/stories/3335344/modTrackback

Suche

 

Beiträge & Kommentare

Über uns
HomiSite, 2023-10-01 10:54
Unterwegs in Düsterburg
HomiSite, 2021-03-04 11:39
Gods - Lands of Infinity [Update]
HomiSite, 2020-07-02 21:53
Spiele des Jahres 2017 im Internet
HomiSite, 2018-02-06 12:46
Spiele des Jahres 2016 im Internet
HomiSite, 2017-01-06 14:51

Microblogging

Glotzen

Lauschen

Zocken

Kaum noch AAA, viel Indie und Multiplayer, wenig Steam und Switch.

Status

Erstellt: 2006-09-02 17:58
Online seit 6437 Tagen
Letztes Update: 2023-10-01 11:05
338 Beiträge mit 178 Kommentaren

Credits & Feeds