Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels

Jetzt ist also auch "Indy" zurück, 19 Jahre nach Der letzte Kreuzzug. Und um den aktuellen Filmtitel auszusprechen, braucht man fast genauso lange: Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels. Die Kritiken decken dabei die ganze Bandbreite ab; ich tendiere leider in Richtung missglückte Wiederbelebung anstatt gelungene Rückkehr.

Um dem alt gewordenen Harrison Ford Rechnung zu tragen, spielt der Film 1957, womit die Nazis als Gegner ausgespielt haben und die Sowjets ihren Platz einnehmen, die aber trotz einer den Degen schwingenden Cate Blanchett recht farblos bleiben. Aufgrund post-McCarthy'scher Kommunistenhatz muss Indy von seiner Uni entlassen werden und hilft dann dem plötzlich auftauchenden Shia LaBeouf, einen alten Professorenfreund sowie den titelgebenden Kristallschädel zu suchen, dem auch die Russen nachstellen.

Die zwei größten Befürchtungen bewahrheiten sich nicht: Zum einen ist Harrison Ford mit 65 Jahren immer noch Indy und macht auch in Actionszenen eine gute Figur, ohne dass es allzu übertrieben wirkt oder dauernd ein Stuntdouble einspringen muss. Zum anderen spielt Shia LaBeouf, der schon in Transformers positiv auffiel, deutlich die zweite Geige, er wird also kaum als "Next Generation Indy" präsentiert, sondern frönt lieber seinem Marlon-Brando-Biker-Image und achtet auf seine Frisur.
Auch gibt es viele kleine und größere Verweise auf die drei Prequels aus den 1980ern, am hervorstechendsten sicher der (etwas kleingeratene) Auftritt von Karen Allen aus dem ersten Teil. Doch reichen diese Referenzen nicht, um Das Königreich des Kristallschädels als Ganzes gelingen zu lassen.

Dies liegt vor allem an der Geschichte, die weit über die religiös angehauchte Mythologie der Vorgänger hinausreicht oder eher hinausschießt und Mystery durch Science Fiction ersetzt - viel "Spaß" beim Finale des Films, das schlicht unpassend ist. Auch verläuft die Handlung nicht besonders elegant, stolpert stattdessen unmotiviert vor sich hin und muss einen verwirrten Kauz als Stichwortgeber bemühen, um von Location zu Location zu springen.

An den verschiedenen Örtlichkeiten findet dann die Action statt, leider in teils stark überzogener und sinnloser Manier. Da tauchen aus dem Nichts für ein paar Schlagabtausche peruanische Ninja-Kids auf, Indy ist generell unverwüstlich und der billige PlastikKristallschädel ist immer dann magnetisch, wenn es die Dramatik erfordert.
Das Scheitern des Films wird schließlich durch die zentrale Verfolgungsjagd im Dschungel verdeutlicht, die zwar insgesamt gut inszeniert ist, aber unter anderem einen LaBeouf zeigt, der Tarzan-like und umringt von Affen von Liane zu Liane schwingt. Wenn das nicht schon übertrieben genug wäre, ist diese Szene tricktechnisch auch noch misslungen. Dies setzt sich kurz danach fort, als Legionen von aggressiven CGI-Riesenameisen auftauchen - eine Kopie der "billigen" Skarabäen aus Stephen Sommers' Die Mumie-Reihe... Spätestens da wirft der Film alle Logik über Bord, die vorher schon nur oberflächlich vorhanden war.

Je mehr man über den Film nachdenkt, desto mehr zerfällt er in einzelne Fragmente, einige gekonnt, witzig und durchaus charmant, andere wie die oben erwähnten misslungen. Ein Abenteuerfilm soll sicher nicht zum Philosophieren anregen und muss nicht realistisch sein, aber er darf auch nicht nur Szene an Szene klatschen. Immerhin sind die Spezialeffekte meist einigermaßen gelungen und eher versteckt eingesetzt, teils aber auch von erstaunlich mäßiger Qualität. Zudem wurde oft ein Farbfilter benutzt, der die Bildausleuchtung ruiniert und selbst Einstellungen ohne augenscheinliche CGIs künstlich erscheinen lässt.

Das Königreich des Kristallschädels zerstört nicht die Figur Indiana Jones, da das alte Raubein noch am souveränsten gezeichnet wird (und eine von wohl zu viel Whisky gezeichnete deutsche Stimme aufweist). Der Film beschwört jedoch kaum den Geist der Vorläufer, zerfasert in Einzelszenen - immerhin ohne Hektik gefilmt - und bietet nicht einmal eine gute Geschichte. Es ist kein besonders guter Indy-Film und auch kein besonders guter Abenteuerfilm. [3/5]

Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels | Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull
USA 2008 | IMDb | OFDb
Regie: Steven Spielberg
Buch: David Koepp
Darsteller: Harrison Ford, Shia LaBeouf, Cate Blanchett, Karen Allen, Ray Winstone, John Hurt u.a.
Dos Corazones (Gast) am 2008-06-01 15:31

Wirklich toll und witzig geschriebener Text. Deine Kritik kann ich gut nachvollziehen, ich denke sogar fast genauso über den neuen, alten Indy. Beide Daumen hoch für den Post ;-)

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