Dienstag, 1. Mai 2007

Skies of Arcadia Legends (RetroZock)

Im Jahr 2000 erschien Skies of Arcadia für Dreamcast und war neben dem ebenfalls sehr gelungenen Grandia II (Game Arts 2000) das einzige bedeutende Rollenspiel für SEGAs letzte Konsole. 2003 wurde es dann für GameCube umgesetzt, mit dem Namenszusatz "Legends" und einigen Verbesserungen und Ergänzungen versehen ("Experience the Director's Cut with hours of new gameplay!"). Und 2007 habe ich es endlich geschafft, die US-Version via FreeLoader durchzuspielen, was bis auf zwei Abstürze auch gut funktionierte.

Das Spiel ist prinzipiell ein typisches japanisches Rollenspiel ("JRPG"), es gibt also eine nach und nach zu erkundende Welt mit verschiedenen betretbaren Orten, eine Menge rundenbasierender Zufallskämpfe und die obligatorische Story nach Schema "Besiege ein böses Imperium, das sich uralter, total zerstörerischer Waffentechnologie bedienen möchte, um die ganze Welt zu beherrschen/vernichten". Zum Ausgleich bietet die Geschichte einige nette Wendungen und vor allem viele sympathische Charaktere, welche die Spielwelt lebendiger gestalten (was ja nicht unbedingt bei JRPGs der Fall ist; in SoAL kann man sich zudem oft die Umgebung per Knopfdruck näher anschauen und bekommt stimmige Texte zu lesen). Der Spieler übernimmt dabei die Rolle des Teenagers Vyse, der zusammen mit seiner Freundin Aika den rechtschaffenen Luftpiraten "Blue Rogues" angehört.

Arcadia ist ein Planet, der jedoch nur aus vielen schwebenden Inseln und Kontinenten besteht! Den Mittelpunkt der Erde unter einer dunklen Wolkendecke - "Deep Sky" - hat bisher noch niemand gesehen... Fortbewegungsmittel sind daher Luftschiffe, die durch magische Mondsteine in der Luft gehalten werden. Diese Steine wiederum fallen von den sechs Monden auf die einzelnen Regionen Arcadias nieder, welche jeweils unter dem festen Einfluss eines der Erdtrabanten liegen. Zudem hat jeder Mond eine andere Farbe und unterschiedliche Auswirkungen.

Das Spielsystem fußt auf diesen sechs Farben, die jeweils eine bestimmte Magie darstellen. Dabei gibt es nur eine kleine Anzahl an Sprüchen pro Farbe, die aber die bekannten Dinge eines Rollenspiels wie Angriffs- oder Schutzzauber enthalten. Jeder Charakter kann alle Sprüche jeder Farbe in fester Reihenfolge lernen, denn nach einem Kampf gibt es neben den normalen Erfahrungspunkten auch Magiepunkte. Welche Magiefarbe nun diese Punkte zugerechnet bekommt, liegt an den im Kampf eingesetzten Waffenfarben. Klingt kompliziert? Ist es am Anfang auch:

Nach und nach bekommt man nämlich die Möglichkeit, die eigenen Waffen einfach per Knopfdruck eine andere Farbe annehmen zu lassen. Hintergrund ist neben dem Lernen der Sprüche auch ein Stein-Schere-Papier-Prinzip beim Austeilen von Schaden, das bei sechs Farben natürlich ungleich komplexer ist und daher immer mal wieder den Blick auf die Tabelle in der ausführlichen Anleitung erfordert (die leider auch schon beinahe alle relevanten Charaktere und sämtliche Zauber enthüllt).

Bedeutender ist das "Spirit System": Jeder Charakter erzeugt pro Kampfrunde eine bestimmte Anzahl "Spirit Points", mit denen sowohl die Zaubersprüche bezahlt werden (Magiepunkte gibt's auch noch, aber jeder Spruch kostet nur 1 MP) als auch die spielbestimmenden "Super Moves". Die meisten dieser Moves, die man durch Einnahme der seltenen Mondbeeren erlernen kann, sind Angriffsmanöver gegen einen oder mehrere Gegner, aber es gibt auch Schutz- oder Heilmoves. "Normal" angegriffen habe ich eher selten bzw. am Anfang des Spieles, als ich noch wenig Spirit Points hatte, später war meist mit einem Super Move gegen alle Gegner nach der ersten Runde kein Monster mehr übrig. Dadurch sind die manchmal doch etwas nervigen Kämpfe immerhin sehr schnell zu Ende, aber man findet nach einiger Zeit auch das obligatorische Item, um die Zufallsgefechte stark zu reduzieren. Gezaubert habe ich später im Spiel generell wenig, weil es die wichtigsten Sprüche auch als Verbrauchsgegenstand zu erwerben gibt, die bei Anwendung keine Spirit Points kosten (und nach einiger Zeit hat man auch genügend Geld, um sich bis zur Obergrenze mit diesen Dingen einzudecken).

Besonders schwer ist SoAL also nach den ersten Stunden kaum noch, außer man nimmt sich sofort einige besondere Gegner vor. Insofern leidet etwas die Dramaturgie, wenn Endgegner und erst recht normale Monster keine wirkliche Gefahr mehr darstellen, aber dafür kann man das Spiel die meiste Zeit ganz entspannt zocken, denn es frustiert und ärgert einen kaum.

Das Spielsystem ist nach kurzer Eingewöhnung begriffen und vor allem durchschaut - man denke nur an Tales of Symphonia (Namco 2003), wo es ohne FAQ kaum klar wurde, wann wie welche Fertigkeiten erlernt werden. Auch stundenlanges Optimieren der maximal vierköpfigen Party ist nicht notwendig, da es zwar einige Attribute gibt, die sich beim Level-Aufstieg automatisch verbessern, aber ansonsten nur drei Slots für Ausrüstung (Waffe, Rüstung, Accessoire). Von Anfang an verfügt man über ein Luftschiff, und auch wenn natürlich viele Gebiete durch Felsriffe und ähnliche Hindernisse zunächst unzugänglich sind, wirkt die Spielwelt durch das frei steuerbare Luftschiff größer - größer, als sie tatsächlich ist, denn leider gibt es nicht allzu viele Locations und die Städte sind eher klein. Die Dungeons sind überwiegend simpel aufgebaut und nicht besonders lang; speichern kann man am Eingang und vor dem jeweiligen Endboss an den konsolentypischen Savepoints (und jederzeit wenn man im Schiff um die Welt segelt).

Technisch ist das Spiel trotz seines Alters Dreamcast-typisch immer noch ansehnlich: eine klare und scharfe Optik, gute Texturen und ein gerade noch akzeptabler Polygoncount, in Szene gesetzt von einer meist frei drehbaren Kamera (außerdem ist eine Ego-Perspektive zum Umschauen möglich). Leider werden beim Laufen stets genau einen virtuellen Meter vor der Spielfigur die höher aufgelösten Texturen nachgeladen, was dann doch unschön ist (ich weiß nicht, ob's auf DC auch so war; immerhin soll die Grafik für die GameCube-Version überarbeitet worden sein). Die Musik bietet sehr eingängige Melodien, für manche Situationen aber dann etwas zu ruhig. Und ein Stück hat mich ans Captain Future-Thema erinnert :-). Durchgehende Sprachausgabe ist nicht vorhanden, nur einzelne Sätze und Worte.

Eine Besonderheit sind noch die eher seltenen Luftschiffkämpfe, die jedoch ähnlich wie normale Kämpfe ablaufen: Zwar gibt es keine Super Moves, aber das Abfeuern der verschiedenen Waffen kostet Spirit Points, genauso wie das Zaubern. Gegenstände kann man ebenfalls einsetzen und später auch die Spezialfähigkeiten verschiedener Crewmitglieder, von denen über 20 auf ganz Arcadia zu finden sind. Pro Kampfrunde gibt es vier Phasen und man kann frei entscheiden, welcher Charakter wann was macht. Leider sind auch die Luftkämpfe meist leicht und zudem etwas träge inszeniert, wodurch man die meiste Zeit den Schiffen beim Herumfliegen zusieht (taktische Flugmanöver sind nur sehr eingeschränkt möglich: Hin und wieder kann man entscheiden, ob man offensiv oder eher defensiv vorgehen möchte, wodurch sich die Möglichkeiten in der nächsten Runde etwas ändern).

Schlussendlich habe ich etwas mehr als 55 Stunden ohne bedeutende "Durststrecke" gespielt, dabei habe ich auch die meisten Nebenquests erledigt: gesuchte Piraten besiegt (= optionale Bosskämpfe) und Entdeckungen gemacht - viele nur per FAQ -, wofür man dann Geldbelohnungen von der Seglergilde bekommt. Der Endkampf war dann leider ein bisschen enttäuschend (aber nicht so sehr wie damals bei Grandia II) und vor allem zu leicht, dafür wurde im kurzen Abspann und während der Credits gezeigt, wie es mit den Haupt- und Nebencharakteren weitergeht. Für Rollenspielfans mit GameCube oder auch Wii also eine klare Empfehlung! [8/10]

Skies of Arcadia Legends (GameCube)
SEGA/Overworks 2003 | MobyGames | OGDb
Update: Einige Rechtschreibkorrekturen und ein paar Ergänzungen.

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