Samstag, 9. Juni 2007

Texhnolyze - Anime auf VOX [Update]

Der Privatsender VOX ist seit längerem für die Erstausstrahlung feiner amerikanischer TV-Serien bekannt, bspw. Space 2063, Ally McBeal (Luft raus: in den letzten Staffeln), Six Feet Under (Durchhänger: nach Lisas Tod), Gilmore Girls (Zenit überschritten: Rory in Yale), Boston Legal (Dream Team: Shatner und Spader) oder auch die CSI-Varianten, bevor Muttersender RTL sich die neueren Folgen schnappte. Manchmal ist aber auch Müll dabei, insbesondere die widerliche, konservativ-reaktionäre Himmlische Familie. Die Nacht dagegen gehört regelmäßig Japan, denn VOX sendet - oft als deutsche Free-TV-Premieren - mehrere Episoden am Stück wie die Samuraisaga Okami aus den 1970ern oder die famose Animereihe Samurai Champloo von den Cowboy Bebop-Machern.

Freitag lief nun nach Mitternacht bis in den frühen Morgen knapp die Hälfte (= 12 Folgen!) von Texhnolyze [téknolàiz]:
«Lukuss ist eine experimentelle Metropole der Zukunft tief im Innern der Erde, in der Gangs regieren, brutales Chaos und Vergeltung das alltägliche Leben beherrschen. Um ihre Macht zu beweisen, beraubt eine zwielichtige Organisation ihren Konkurrenten ihrer Gliedmaßen...
Die unterirdische Stadt Lukuss wird von konkurrierenden Banden und religiösen Fanatikern regiert, die ihre Herrschaft über die beklemmende Metropole mit roher Gewalt durchsetzen. Der Frieden hängt an einem seidenen Faden, Lukuss befindet sich am Rande des absoluten Chaos. Doch es gibt Mächtige, die das Schicksal der Stadt in ihren Händen halten: Onshi, Anführer der stärksten Bande von Lukuss; Yoshii, ein mysteriöser Mann aus der 'oberen Welt'; Ran, ein Mädchen mit der Gabe des zweiten Gesichts; Ichise, ein Einzelgänger, dem Arm und Bein durch eine unmenschliche Technologie, bekannt als Texhnolyze, ersetzt wurden. Ein martialischer Kampf um die Zukunft der Stadt beginnt...» (VOX)
Die Serie ist auf jeden Fall bemerkenswert, da sie inhaltlich recht komplex ist. Lange Zeit wird der Zuschauer über genaue Zusammenhänge im Dunkeln gelassen, muss die unbekannte Stadt, die verschiedenen Gruppierungen und die Hauptfiguren erst kennenlernen und einordnen. Die frühen Folgen ziehen sich jedoch leider etwas hin, da Ichise zwar scheinbar als Hauptcharakter aufgebaut wird, aber erst nach langer Zeit seine Cybergliedmaßen bekommt und zudem kaum aktiv an der Handlung teilnimmt. Trotz kybernetischer Ersatzteile und Terminator'esken Ich-Perspektiven ist Texhnolyze aber keinesfalls eine cyberpunkige Science-Fiction-Serie wie z.B. das grandiose Ghost in the Shell: Stand Alone Complex. Die Technik steht größtenteils im Hintergrund, es geht viel mehr um die politischen und gesellschaftlichen Verstrickungen, die so manche gelungene Enthüllung bereithalten.

Optisch kann Texhnolyze ebenfalls überzeugen, obwohl die Animationen nicht immer völlig flüssig sind. Es werden oft detaillierte Standbilder verwandt, aber damit kreieren die Japaner bekanntlich Atmosphäre wie niemand anderes. Computereffekte kommen auch zum Einsatz, die glücklicherweise kaum herausfallen. Sehr angenehm ist das einprägsame und realistische Figurendesign; peinliche feminin-tuntige Burschen (Wolf's Rain...) und halbnackte Kindfrauen mit XXL-Oberweite muss man also nicht befürchten. Musikalisch reicht Texhnolyze nicht an GitS:SAC heran, bietet aber gelungene elektronische Beats. Das Erzähltempo ist phasenweise recht niedrig und es wird viel geredet, da jedoch die Geschichte interessant und die Synchronisation hervorragend gelungen ist, stört das nicht.

Ungeachtet der wie bereits erwähnt guten Story mit einigen surrealen und leisen Momenten ist die Serie nichts für sanfte Gemüter, denn es kommt zu zahlreichen, wenn auch meist kurzen Gewaltexzessen, in denen das Blut nur so spritzt. Jedoch rutscht Texhnolyze nie ins plakative Gemetzel ab, was japanische Animationsfilme ja früher in Verruf gebracht hatte (Stichwort Tentakelsex-Splatter). Nach etwas Anlaufschwierigkeiten nimmt die Serie an Fahrt auf und mündet in einem ersten, spannenden Finale. Mal sehen, wie sich alles weiter entwickeln wird...

Update: In der Nacht zum 16. Juni liefen die letzten zehn Folgen (anschließend noch ein Interview mit dem Produzenten und dem Charakterdesigner; es ging um deren Werdegänge, Mangas und Animes allgemein und die Serie Lain, nicht um Texhnolyze).

Nach den aufpeitschenden Geschehnissen in Lukuss kehrt keine Ruhe in die Stadt ein, es wird noch schlimmer, als eine weitere Partei energisch in die Machtkämpfe eingreift... Die Cyborg-Thematik wird ein großes Stück erweitert, schafft es aber gerade noch nicht übertrieben und unpassend zu wirken. Dies ist vor allem der Geschichte zu verdanken, die stärker als zuvor mit philosophischen Ansätzen über die Evolution und das Schicksal des Menschen aufwartet und teils sperrige, metaphysisch gefärbte Dialoge hervorbringt (in immer noch hervorragender Synchronisation). Mit dem unvermeidlichen Ausflug an die Erdoberfläche wird die Serie dann surreal und elegisch, das Erzähltempo tritt dazu passend für einige Folgen stark auf die Bremse. Der Abstieg zurück nach Lukuss ist schließlich die Vorwegnahme des apokalyptischen Endes...

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