Montag, 26. Juli 2010

Dexter (Staffel 3)

Eine der besten Serien der letzten Jahre ist ganz sicher Dexter. Ende 2006 debütierte die Dramaserie um einen rechtschaffenen Serienkiller in den USA, aber erst mit zweijähriger Verspätung fand auf RTL2 die deutsche Free-TV-Premiere statt. Anfang 2010 lief dort dann endlich die zweite Staffel, während in Amerika die vierte Season bereits Ende 2009 ausgestrahlt wurde. Wann RTL2 die dritte Staffel bringt, ist mir nicht bekannt; im Pay-TV lief sie Ende letzten Jahres.

Nachfolgend nun meine nur bedingt strukturierten Eindrücke zur dritten Staffel (dt.), die unmittelbar nach der Rezeption entstanden und ursprünglich einseitige E-Mail-Korrespondenz darstellten, aber nicht im "Gesendet"-Ordner versauern sollten. Ah so: Spoiler!

Folge 1 bis 8

Auch wenn die Staffel (noch?) nicht so flasht wie die zurückliegenden Seasons - aber das ist wohl unvermeidlich -, ist Dexter bisher mindestes sehr zufriedenstellend. Leitmotiv der dritten Staffel ist offenbar die "Menschwerdung" bzw. (vorübergehende) Überwindung von Einsamkeit: Angel Batista, unglücklich geschieden, lernt ironischerweise eine Sittenpolizistin auf der Suche nach käuflicher Liebe kennen. Maria LaGuerta findet nach dem Tod ihres guten Freundes James Doakes in der Anwältin Ellen Wolf eine neue Freundin. Debra Morgan landet beim Informanten Anton, hat also wie immer ungewöhnliche Bekanntschaften. Spaßvogel Vince Masuka macht auf sich als Mensch aufmerksam. Dexter Morgans Beziehung mit Rita vertieft sich. Und er scheint einen Seelenverwandten und Freund in Miguel Prado gefunden zu haben.

Es ist beeindruckend, wie viele kleine Handlungsbögen und charakterzentrierte Minigeschichten erzählt werden, auch wenn es mir etwas zu viel werden könnte: Mit allen neuen Nebenfiguren baut irgend jemand eine besondere Beziehung auf. Ziemlich brilliant aber, wie sich aus der Freebo-Sache langsam und natürlich die Häuter-Handlung entwickelt! Es wird jedoch wohl viel von der Auflösung um diesen neuen Serienkiller abhängen...

Ebenfalls clever, welche Phasen Miguel durchlaufen hat. Erst eine Art von Bedrohung für Dexter, dann ungewohnter Freund, plötzlich Mitwisser, bald Unterstützer und gar Antreiber, schließlich Mittäter - und am Ende Täter, der Dunkelheit anheimgefallen? Dexter ist dabei immer hin- und hergerissen, ob er die Distanz auflösen soll. Bei Miguels erstem Mord hatte Dex dann die überwältigt-stolze Rolle eines Lehrmeisters angenommen und ist - für den Augenblick - das Gegenteil seines Vaters, der sich laut Dexter ja vor ihm geekelt habe. Die erwähnte Metamorphose Miguels kann man natürlich auch kritisch sehen, weil sie vielleicht zu schnell vonstatten geht. Andererseits scheint hier dank Dexter die jahrelange Fassade eines frustrierten Mannes sturzartig zusammenzubrechen.

Recht fein ist die moralische Unschärfe zwischen der Anwältin Ellen Wolf und Miguel. Erst befinden sich beide klar zwar auf der Seite des Rechts, obschon sie als Rechtsbeugerin. Dann klingt an, dass Miguel ähnlich ist, moralisch zwar noch überlegen, weil er aus rechtschaffener Überzeugung knallhart vorgeht, sie nur aus monetären Gründen. Jedoch entdeckt Wolf ihr Gewissen und hilft bei der Verhaftung eines flüchtigen Verbrechers. Miguel trinkt daher sogar auf sie, nachdem er sie zuvor als Behinderung des Rechtsstaat mit Dexter aus dem Weg räumen wollte. Ich bin gespannt, ob Miguel sie nun wirklich noch (alleine) umbringt, dann hätte er sich Dex gegenüber verstellt, was er bisher nie getan hat...

In Sachen Menschwerdung ist die Vaterschaft Dexters und die Hochzeit mit Rita natürlich der logische nächste Schritt, auch wenn hier etwas das heile, christliche Familienbild mitschwingt... Langfristig wäre es natürlich spannend, wie Dexter mit seinem eigen Fleisch und Blut umgeht angesichts seiner Vergangenheit und des Verhältnisses zu seinem Vater. Wird Dex' Herz schlussendlich auch vor guten/richtigen Emotionen schlagen? Wie auch immer, die ganze Familiengeschichte überdeckt Dexters Wesen als Psychopath. Die Ambivalenz seines Wesens war ja immer das spannende, besonders in der zweiten Staffel, als er sich in Enthaltsamkeit übte. Jetzt wirkt er phasenweise wie ein Vollstreckungsgehilfe für Miguel (und ließ mich kurz an die letze A-Team-Staffel denken, wo sie für General Stockwell arbeiten mussten :-), übernimmt zudem das Gewissen im Team und erhält sogar die Absolution der an Krebs sterbenden (bzw. von ihm getöteten/erlösten) Arbeitskollegin! Das ist alles natürlich auch eine interessante Verschiebung der Perspektive, passierte bisher aber durch den Gegensatz von Dexters Berufs- und Nachtleben. Ich hatte mal aufgeschnappt, dass sich Dexter zu einem Repräsentant uramerikanischer Werte entwickelt, was man nur bedingt von der Hand weisen kann.

Die Charaktere der Serie sind trotzdem immer noch hervorragend: Debra ist wunderbar, ihre Schimpftiraden sind weiterhin lustig und fresh, Batista & Co. ein sympathischer Haufen. Der neue und etwas undurchsichtige Bulle Joseph Quinn, an deren Fersen die Dienstaufsichtsasiatin hängt, spielt noch keine große Rolle. Und an Doakes kommt er mal so gar nicht ran. Die politisch Korrekten unter uns könnten anmerken, dass Miguel und alle seine Hispanic-Brüder auf unterschiedliche Weise gescheitert sind - mal schauen, wo's mit Miguel noch hingeht...

Die Serie bzw. Staffel dürfte jetzt am Scheideweg sein und ich bin gespannt, wie es weitergeht. Ich hoffe, dass die Serie nicht endlos am Leben erhalten wird (Season 5 startet Ende des Jahres in USA), denn auch wenn die dritte Staffel sehr kunstvoll verwobene Zutaten aufweist, so stammen viele in gleicher oder ähnlicher Form aus vergangenen Staffeln (bspw. Miguel - Lila). Das Auflliegen von Dexters Geheimnis könnte weiterhin das packenste Serienfinale ever werden - wenn die Macher sich rechtzeitig und konsequent daran trauen.

Folge 9 bis 12

Miguel hat also tatsächlich die Verteidigerin umgebracht, weil sie ihn - nicht das Rechtswesen - bedrohte. Es wird klar, dass Miguel keinem Kodex in Form von Regeln folgen wird, sondern nur seinem (variablen) Rechtsbewusstsein. Und dem Selbsterhaltungstrieb. Bei letzterem ist Miguel per se nicht allzu verschieden zu Dexter, jedoch will Miguel durch den Ellen-Wolf-Mord "nur" prophylaktisch seine Karriere schützen, während es bei Dexter in ähnliche Situationen um die Enthüllung seines abgründigen Wesens ging. Gelungen war, wie Miguel Offenheit gegenüber Dexter vorgab und dies wohl auch tatsächlich so empfand, aber nur solange er als machtbewusster Staatsanwalt die Hosen anhat. Er ist also eine extreme Version von Dexter, im Kern rechtschaffen, aber durch die Macht (und seinen Vater) irrational und manipulativ geworden. Wenig verwunderlich sind daher Dexters Emotionen - natürlich Wut -, als er entdeckt, dass er selbst als großer Dar-/Versteller von Miguel meisterlich getäuscht wurde. Grandios sein eingebildeter Gewaltausbruch im Polizei-HQ, dessen Imagination gleichzeit Dexters noch intakte Selbstbeherrschung verdeutlicht.

Ebenso famos ist das sich einen Tick zu schnell hochschaukelnde Intrigen- und Psychospiel zwischen Dexter und Miguel, in welchem Miguel schließlich seine eh schon gebeugte Rechtschaffenheit verrät, als er überraschend mit dem Häuter aktiv zusammenarbeitet, sich somit endgültig als Psychopath entpuppt und wie schon bei der Anwältin Wolf zu überdimensionierten Gegenmaßnahmen greift. Es wäre interessant gewesen zu sehen, ob das Verhältnis von Dexter und Miguel ähnlich eskaliert wäre, wenn Rita nicht der Ehefrau von Miguel von dessen angeblicher Affäre mit LaGuerta erzählt hätte.

Der Häuter selbst blieb angesichts des Machtkampfes zwischen Miguel und Dexter eher farb- und bedeutungslos bzw. ein Mittel zu Zweck, was jedoch nicht schlecht war, da die Staffel generell auf einen zentralen Konflikt verzichtete und am Ende viele verschiedene Finale präsentierte. Nichtsdestotrotz fand ich das Motiv des Häuters etwas dünn (Contra, Respekt, blabla - auch wenn Dex am Ende meint, der Häuter sei auch nur ein typischer Serienkiller). Dramatisch gelungen war die vermeintliche Entführung Dex' durch den Häuter im Rahmen des Junggesellenabschied sowie Miguels dortiger Toast auf Dexter.

Ansonsten wurden im Schlussteil der Staffel irgendwie fast alle (neu aufgebauten) Beziehungen durch Krisen erschüttert: natürlich Dex und Miguel, Miguel und seine Frau, LaGuerta und Wolf, Debra und Anton, ganz kurz Angel und Debra. Am Ende wartet entweder Tod oder Lösung. LaGuertas Entdeckungen, die sie zu Miguel führten, waren jedoch etwas zu zufällig, als ob den Machern die Erzählzeit ausgegangen ist.

Schlussendlisch stehen quasi alle Figuren besser oder gleich dar wie zu Staffelbeginn - wenn man den Verlust neuer Bekanntschaften außer Acht lässt -, selbst Masuka scheint einen heißen Feger für eine Beziehung abzubekommen. Dexter dürfte aber jetzt nach Lila und Miguel eigentlich keinen mehr an sich bzw. seine dunkle Seite lassen, während er gleichzeitig entdeckt, dass er Vater und Ehemann sein will - positive Emotionen! Außerdem vergibt er seinem Dad.

Mir hat die Staffel insgesamt gefallen, weil sie überwiegend clever mehr oder weniger bekannte Bestandteile variierte und neu zusammenfügte. Teilweise wirkten Geschehnisse aufgrund der beschränkten Folgenzahl gehetzt, aber niemals wirklich störend. Bleibt die Frage, was in Staffel 4 thematisiert wird, da zumindest für Dexter seine Konflikte gelöst wurden und er mit sich soweit im Reinen scheint. Die neue soziale Rolle als Vater und Ehemann dürfte eher komödiantisches Potential haben und wird hoffentlich nicht Zentrum der Staffel sein. Debra hat sich zum Staffelende nochmals positiv eingebrannt (deutsche Synchro!) - mal schauen, ob in der nächsten Season bei ihr das Hadern mit dem Vater thematisiert wird (wie vormals bei Dexter), was ich aus dem Stehgreif etwas lahm fände. Dramatisches Potential ist noch dadurch vorhanden, dass für viele Charaktere die Fallhöhe vergrößert wurde, da sie jetzt glückliche Beziehungen und so führen.

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