Stargate: Nach zehn Jahren Abschied von SG-1

Es ist vorbei: Gestern liefen die allerletzten drei Folgen von Stargate SG-1 auf RTL2, womit die umfangreichste US-Science-Fiction-Fernsehserie aller Zeiten zu Ende ist.

Auf Motiven aus Roland Emmerichs 1994er Kinofilm aufbauend und von Jonathan Glassner und Brad Wright fürs Fernsehen entwickelt, erforschte das Stargate-Center - allen voran das titelgebende "SG-1"-Team - seit Mitte 1997 zehn Staffeln und 214 Folgen lang die Galaxie und rettete unzählige Male die Erde und andere Welten vor Feinden wie den Goa'uld, den Replikatoren oder zuletzt den Ori. (In Deutschland wurde die Serie erst ab Anfang 1999 im Fernsehen ausgestrahlt, also insgesamt achteinhalb und nicht zehn Jahre lang wie in den USA.)

Sieben Jahre lang war Jack O'Neill (Richard Dean Anderson, MacGyver) der Anführer von SG-1, bestehend aus Daniel Jackson (Michael Shanks), Samantha Carter (Amanda Tapping) und Teal'c (Christopher Judge). Daniel Jackson starb Ende des fünften Jahres, wurde aber von den gottähnlichen Antikern in eine höhere Existenzebene erhoben. Für ein Jahr war dann der außerirdische Jonas Quinn (Corin Nemec, Parker Lewis) Mitglied von SG-1, bis Jackson im siebten Jahr wieder zu einem Menschen "degradiert" wurde und ins Team zurückkehrte. Im achten Jahr wurde der Oberkommandierende des Stargate-Centers, George Hammond (Don S. Davis), befördert und O'Neill übernahm dessen Posten. Ein Jahr danach bekam Cameron Mitchell (Ben Browder, Farscape) das Kommando des wiedervereinigten SG-1 und die außerirdische Vala Mal Doran (Claudia Black, Farscape) stieß nach vielen Querelen endgültig im zehnten Jahr zum Team hinzu, während O'Neill nach einer weiteren Beförderung ein Jahr zuvor von Hank Landry (Beau Bridges) abgelöst wurde.

Stargate SG-1 stand von Beginn an für nachvollziehbare SF-Unterhaltung ohne überzogenes Wissenschaftsgebrabbel à la Star Trek. Die Spezialeffekte waren zumeist zahlreich und hervorragend, die Geschichten und Einsätze des Teams spannend und humorvoll. Denn obwohl es natürlich viele dramatische und traurige Momente gab, prägte vor allem das witzige Zusammenspiel des Teams die Serie. Alle vier ursprünglichen Hauptcharaktere und -darsteller waren und sind absolut sympathisch und verschieden genug, um sich in ihren unzähligen Einsätzen perfekt zu ergänzen, aber auch stets für ein Schmunzeln beim Zuschauer durch nuanciertes Schauspiel zu sorgen.

Die Technikniete und ungeduldige Koryphäe in Durch-die-Wand-Diplomatie Jack O'Neill verstand selten, was die brillante Wissenschaftlerin "Sam" Carter oder auch das Sprachgenie Daniel Jackson ihm gerade ausführlich erklären wollten. Und der Außerirdische Teal'c kämpfte lange Zeit mit irdischen Umgangsformen, blieb jedoch stets zurückhaltend-höflich, ganz und gar unpassend zu seinen Muskelbergen und der grimmigen Miene, die er oft eindrucksvoll präsentierte.

Eine wirkliche Charakterentwicklung gab es in der Serie eigentlich kaum, abgesehen von Teal'c und später Vala, die sich erst "einleben" mussten. Auch das Privatleben blieb meistens außen vor, das Team schien für die Rettung der Welt zu leben und zu arbeiten. Wegen der tollen Hauptfiguren und -darsteller hat mich das aber nie wirklich gestört; für gebrochene Helden und Leidenswege schaute ich dann eben Babylon 5. Die archetypische Figurenkonstellation von Stargate SG-1 wurde in der exzellenten Marionettenszene der 200. Jubiläumsepisode "200" (!) kongenial persifliert.

Der Hintergrund und die "Mythologie" der Serie wurden dagegen zunehmend umfangreicher und komplexer. Es gab häufig Rückverweise auf früherer Geschehnisse, oft wurden geborgene Technologien später mehrfach zum Einsatz gebracht (ganz im Gegensatz zu Star Trek) und alte Verbündete und Feinde tauchten wieder auf. Nur absolute Hardcore-Fans werden bei jeder Anspielung sofort wissen, auf welche Folgen und Ereignisse genau gerade Bezug genommen wird.

Hinzu kommt, dass die meisten Episoden, vor allem die aus dem Mittelteil der Serie mit allen Figuren der Urbesetzung, sehr logische und nachvollziehbare Geschichten erzählten. Stargate SG-1 war bestimmt nicht die visionärste SF-Serie, dazu war sie zu militärisch und bodenständig (menschliche Raumschiffe wurden erst spät entwickelt, die meisten außerirdischen Völker waren "dank" der Goa'uld Menschen auf niedrigerem Fortschrittsniveau), aber gerade deswegen glaubwürdig und unterhaltsam.

Abstieg

Mit dem Abschied von Hammond und vor allem O'Neill als Hauptfiguren nach der siebten bzw. achten Staffel baute die Serie sichtbar ab. Innerhalb der vielen Jahre wurde einfach schon fast alles thematisiert, was im Stargate-Universum denkbar ist, viele neuen Folgen waren daher einfallslos, vorhersehbar, Wiederholungen traten auf (auch wenn dies meist gesagt wurde: "Erinnern Sie sich an P3X-0815? Genau das passiert hier!") und nicht wenige Folgen holperten serienuntypisch leider arg unlogisch vor sich hin. Bezeichnenderweise war die beste und vor allem witzigste Episode dieser Endzeit die oben erwähnte "200", eine nahezu völlig von der realen Serienhandlung losgelöste Ansammlung von Einzelszenen.

Auch die neuen Protagonisten Cameron Mitchell und Vala Mal Doran störten besonders zu Beginn ihres Auftretens in der Serie sehr: Mitchell schien eine blasse O'Neill-Kopie, Vala war extrem nervig und "aggressiv" witzig (Hank Landry fiel nie besonders auf). Dies legte sich bis zum Ende der Serie zum Glück alles ein wenig, die Atmosphäre des ursprünglichen SG-1-Teams stellte sich jedoch nur noch ganz selten wieder ein.

Den Qualitätsverlust kann man auch ganz klar an der Spin-off-Serie Stargate Atlantis erkennen, die 2004 zur achten SG-1-Staffel startete und parallel zur Hauptserie verläuft. In der weit entfernten Pegasus-Galaxie übernimmt die Menschheit die Antikerstadt Atlantis, muss sich aber gegen einen neuen, mächtigen Feind erwehren: Die Wraith. Leider ist "SGA" in meinen Augen nur solide Kost, denn die Geschichten sind genauso schwach und uninspiriert wie zur selben Zeit bei SG-1 (für beide Serien reichten die Ideen offensichtlich nicht). Atlantis kommt nie als große Stadt rüber, die vampirischen Wraith als Goa'uld-Ersatz sind schrecklich einfallslos (nur deren dezent organische Schiffe überzeugen), die Hauptfiguren sind überhöhte Abziehbilder der SG-1-Mitglieder. Einzig die Internationalität der Atlantis-Besatzung ist positiv, im Kernteam sind aber dann doch nur Amerikaner, Kanadier, Amerikaner, Schotten, Amerikaner und außerirdische Teal'c-Nachmacher.

"Ba'als letztes Gefecht"

In der vorletzten SG-1-Episode kehrte die Ori-Anführerin Adria mit einer neuen Streitmacht zurück, geriet aber in Ba'als Hände. Dieser missbrauchte sie als Wirt für sich, um so die Armeen der Ori unter seine Kontrolle zu bringen (etwas unglaubwürdig, da Adria kein gewöhnlicher Mensch ist und sich ihr Geist wohl nicht so leicht unterdrücken lässt). Doch SG-1 war wieder einmal cleverer und konnte Adria/Ba'al schnell auffinden und gefangennehmen. Ein Symbiont der Tokra - hey, die traten auch mal wieder auf - sollte Ba'al ersetzen, doch in der riskanten Operation verstarb dessen Symbiont. Ist Ba'al, der zuvor scheinbar alle seine Klone umbrachte, damit endgültig tot...? Aber auch Adria lag im Sterben, konnte sich jedoch in einer packend inszenierten Szene noch einmal kurzzeitig erholen und schließlich durch ihren Tod zu einem höheren Wesen aufsteigen: Sie wurde zu einer Ori, und wenn durch Merlins Waffe tatsächlich alle Ori einige Folgen zuvor umgebracht wurden, verfügt sie jetzt über deren gesammelte Kräfte...

"Endlosigkeit"

In der letzten Episode folgt SG-1 dann einer Einladung der Asgard - noch ein Wiedersehen - und reist mit dem Raumkreuzer Odyssey zu deren Heimatplaneten. Thor, ein alter Bekannter, erklärt, dass seine Rasse durch körperliche Degeneration infolge des andauernden Klonens bekanntlich dem Untergang geweiht ist und die Asgard dem nun durch Massenselbstmord zuvorkommen wollen. All ihr Wissen und ihre Technologie vermachen sie den Menschen und erklären die Tau'ri zur fünften Rasse.

Gerade als die Odyssey mit der ganzen Asgard-Technik ausgestattet wurde, erscheinen Ori-Schlachtschiffe. SG-1 und Co. fliehen nach einem kurzen Gefecht in den Hyperraum, während die Asgard ihren ganzen Planeten eindrucksvoll sprengen und damit nicht mehr existieren! (Kann der Suizid als liberaler Kommentar zur Sterbehilfe verstanden werden?)

Irgendwie schaffen es die Ori immer, der beschädigten Odyssey trotz mehrfacher Hyperraumsprünge zu folgen, denn die neue Asgard-Technologie hinterlässt eine leicht ortbare Energiesignatur. Eine Flucht scheint daher unmöglich, aber das unermesslich wertvolle Wissen der Asgard möchte niemand aufgeben. Ein Großteil der Odyssey-Besatzung wird daher auf einem Planeten mit Stargate ausgesetzt, während an Bord nur SG-1 und General Landry verbleiben. Als die Ori wieder auftauchen, kann das Schiff nur vor der Vernichtung durch einen nahenden Energiestrahl gerettet werden, indem Carter in letzter Sekunde eine Zeitblase errichtet - auf der Odyssey vergeht die Zeit nun unendlich langsamer!

Im Folgenden beginnt die Suche nach einem Ausweg aus der prekären Lage. Doch alle naheliegenden Möglichkeiten erweisen sich als nicht durchführbar. Somit beginnt ein jahrelanger Aufenthalt und erst nach über 50 Jahren - Landry ist mittlerweile an Bord verstorben - findet die greise Carter die Lösung: eine begrenzte Zeitreise! Jemand muss jedoch alt bleiben, damit der Plan gelingt. Teal'c meldet sich freiwillig, da er als Jaffa wesentlich länger lebt und trotz seiner nun über 150 Jahre fast so fit ist wie vor dem Eintritt in die Zeitblase. Am Ende kann die Zeit soweit zurückgedreht werden, dass die Odyssey dem Energiestrahl der Ori entkommt und außerdem die verräterische Energiesignatur abgeschaltet wird. SG-1 hat das Wissen der Asgard für die Menschheit gerettet, Teal'c ist "alt" geblieben und schweigt über die für die anderen nie passierten 50 Jahre. Am Ende steht das Team vor dem Sternentor, tauscht noch ein paar Sinnsprüche aus und geht hindurch. The journey continues...

Da habe ich mir als letzte Folge aber deutlich mehr gewünscht! Als Einzelepisode ist "Endlosigkeit" sehr gut, auch wenn Zeitblasen und das Altern von Charakteren schon mehrmals vorkamen. Und das Zurückdrehen der Zeit zusammen mit dem eingeführten Materietransformator (a.k.a. Replikator) kratzt schon ziemlich an Star Trek - Zeitreisen funktionieren einfach in den meisten Serien nicht, auch nicht in Stargate (man denke an die Folge "1969")!

Während an Bord die Jahre vergehen und dies durch längere, von stimmungsvoller Musik untermalten Einstellungen visualisiert wird, entsteht immerhin eine wohlige Atmosphäre. Man kann die verrinnenden Jahre durchaus als Selbstreferenz auf die Laufzeit der Serie selbst sehen: Die Darsteller sind älter geworden und auch die langjährigen Zuschauer. Etwas unglaubwürdig empfand ich, dass die sechs, später fünf Personen nicht irgendwann verrückt geworden sind. 50 Jahre lang hocken die zusammen auf einem Raumschiff, essen scheinbar jeden Tag gemeinsam und nur Vala und Daniel finden dort früh zueinander und bleiben bis zum Ende ein Paar. Immerhin hat Mitchell einmal einen Ausraster und demoliert seine Koje.

Als Abschluss solch einer langjährigen Serie ist das alles jedoch ziemlich unbefriedigend. Ich hätte mir eine andere Geschichte gewünscht, in der auch Hammond und O'Neill noch einmal vorkommen. Nicht einmal der Ori-Handlungsbogen wurde zu einem richtigen Ende gebracht. Die Serie ist auch nicht mittendrin abgesetzt worden, die Macher hatten genug Zeit alles vernünftig zu beenden. Da aber auch angekündigt wurde, in Zukunft SG-1-Fernsehfilme zu machen, hat man sich wohl dafür entschieden, nicht zu viele Stränge zu kappen. Die Ori-Handlung wird beispielsweise in The Ark of Truth (2007) abgeschlossen, während der zweite bisher gedrehte Film Continuum (2007) sich leider auf Zeitreisen einlässt!

Ein radikaler Schnitt - es muss ja nicht gleich so unumkehrbar wie bei Babylon 5 sein - stand anscheinend nie zur Debatte, sicher auch im Hinblick auf die Spin-offs: Samantha Carter übernimmt in Stargate Atlantis in der vierten Staffel dort das Kommando, löst also Elizabeth Weir ab, und 2008 soll eine dritter Serienableger mit stärkeren Unterschieden zu SG-1 als Atlantis folgen: Stargate Universe...

Stargate SG-1
USA/CDN 1997-2007 | IMDb
Produzenten: Brad Wright, Robert C. Cooper, Richard Dean Anderson u.a.
Regie: Peter DeLuise, Martin Wood, Andy Mikita u.a.
Buch: Robert C. Cooper, Joseph Mallozzi, Paul Mullie, Brad Wright, Damian Kindler u.a.
Darsteller: Richard Dean Anderson, Michael Shanks, Amanda Tapping, Christopher Judge, Don S. Davis, Ben Browder, Claudia Black, Beau Bridges u.a.

Updates: Kleinere Berichtigungen und Ergänzungen sowie formale Ausbesserungen.

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