Strike Back
Ich frage mich regelmäßig, warum es offenbar keine Serien mit Action wie in den 80ern mehr gibt, wo es andauernd zu Schießereien kam und vor allem haufenweise Autos geschrottet oder gesprengt wurden. Zumindest sind mir keine modernen bekannt, die mit solch destruktivem Charme die meist flachen Geschichten und Figuren übertünchten; heutzutage werden derartige Filme liebevoll als "Actiongülle" bezeichnet. Die 90er bildeten meinem Empfinden nach die Ära der Phantastik, denn Mystery, Fantasy und Science-Fiction standen hoch im Kurs. Die 2000er galten dann als goldenes Serienzeitalter, in denen TV-Serien wie Lost oder die des Senders HBO neue Komplexitäts- und Qualitätsstufen erklommen und mit dem Kino um die Narrationskrone stritten. Gleichzeitig hob das Kriminalgenre der CSI-Machart ab, welches ich nicht besonders mag, da mit allmächtig und herablassend dargestellten Ermittlern eine plakative "Verbrechen lohnt sich nicht"-Message verbreitet wird. Aber Actionserien um der Action Willen und mit sich im Reinen schienen Mangelware.
2001 ging dann 24 auf Sendung und schuf sich ein eigenes Subgenre basierend auf Echtzeit, Splitscreens, Agenten, Terroristen, Verrätern, Massenvernichtungswaffen, Überwachung, Folter, Worst-Case-Wendungen und Kiefer "Jack Bauer" Sutherland. Nur diese explosive Mischung ließ die Serie (irgendwie) acht Staffeln lang funktionieren, aber ob 24 qualitativ wirklich mehr war als erstklassig produzierter Law-and-Order-Trash, ist sicher diskutabel. Obwohl bereits in Staffel 1 ultimative Bedrohungsszenarien bemüht wurden, lief die letzte Folge erst 2010. Es dürfte kaum ein Unterhaltungsprodukt geben, das so sehr die US-amerikanischen Umwälzungen in Politik und Kommunikation dieser Zeit wiederspiegelte. Eine Actionserie im Geiste der krawalligen 80er war 24 jedoch nicht, auch wenn ihnen das Motiv vigilantistischer Einzelkämpfer gemein ist.
Strike Back ist ebenso wenig ein Vertreter vergangener Zeiten, bewegt sich aber zunehmend zwischen grimmigem "Survival of the Strongest" und humorvollem Schusswaffengebrauch: (Buddy-)Actiongülle in Serie. Die erste Staffel zeigt in Doppelfolgen drei Auslandseinsätze des reaktivierten Soldaten John Porter für die geheime "Sektion 20" im britischen Geheimdienst. Obschon es einige deftige Szenen gibt, leidet die Serie noch unter einem nicht immer logischen Drehbuch. Zudem passt Hauptdarsteller Richard Armitage meiner Meinung nach mehr zu einem James Bond'schen Agenten und nicht zu dem harten Hund John Porter. Angesichts ihrer aktuellen Rollen erwähnenswert sind noch Andrew Lincoln (The Walking Dead) als etwas zwielichtiger Befehlshaber und Shelley Conn (Terra Nova) als Innendienstlerin, die Porter verordneten Aufbausex angedeihen lässt.
Zwei Besonderheiten zeichnen Strike Back aus: Aus 24 bekannte Überwachungstechnik sowie Spezialausrüstung kommt fahrlässig wenig zum Einsatz (was auch manch fragwürdige Wendungen begünstigt), dies wird durch internationale Schauplätze wie Irak oder Afrika kompensiert. Desweiteren ist die Serie erstaunlich kritisch gegenüber den USA, die hier alles andere als gut wegkommen - ein Kommentar zum Verhältnis Englands als Verbündeter und doch nur Handlanger des "großen Bruders"?
Inszenatorisch ist Strike Back ordentlich gelungen, manche Schusswechsel geraten wegen simplen Schuss-Gegenschuss-Verfahren leider undynamisch. Dafür lässt die Serie ein ziemlich düsteres Menschenbild durchblicken, in dem ein Leben nichts zählt und ohne Zögern beendet wird. Der Kunstblutverbrauch ist erstaunlich hoch, Folter wird jedoch weitgehend vermieden.
Die zweite Staffel bringt eine Menge Veränderungen, am offensichtlichsten den Austausch der kompletten Charaktere. Richard Armitages John Porter wird durch die physisch passenderen Michael Stonebridge und Damien Scott ersetzt, dargestellt vom Philip Winchester (Camelot, ohne Rittermähne ist sein Kinn wirklich furchterregend) und Sullivan Stapleton (perfekter US-Boy, wenn auch Australier). Die neuen Nebenfiguren sind leider recht farblos, außer vielleicht Amanda Mealing als kühle MILF, äh, Befehlshaberin. Grund für die Änderungen dürfte die Zusammenarbeit mit einem US-Sender sein, das brachte zudem neue Drehbuchautoren wie Frank Spotnitz (Akte X) an Bord - mit der Folge, dass die Geschichten deutlich wasserdichter wurden. Das Konzept der internationalen, meist heruntergekommenen Handlungsorte wurde beibehalten und die Kommandozentrale reist auch herum, ist so direkter ins Geschehen eingebunden. Kritische Breitseiten gegen die USA gibt es nicht mehr und mir scheint, dass die Souveränität anderer Staaten jetzt öfters leichtfertig missachtet wird.
Wie in Staffel 1 bilden jeweils zwei der nun zehn Folgen einen Einsatz, die jedoch stärker miteinander verwoben sind. Es gibt Geheimnisse, aber Verschwörungen und Maulwürfe im 24-Ausmaß kommen nicht vor. Nach einer Kennenlernphase sind die beiden Protagonisten dann zusammengeschweißt und agieren wie eine Army of Two auf der Jagd nach einem Oberterroristen. Hier vollzieht sich der Wechsel in der Atmosphäre: Grundsätzlich bleibt Strike Back eine tödliche Serie, die wenig Erbarmen mit seinen Figuren zeigt und das Überleben quasi zur Ausnahme macht. Wenn jemand unter Blutfontänen zu Boden geht, wird ihm meist noch mit der Pistole in den Kopf geschossen. Strike Back dürfte den Rekord an Kopfschüssen halten und der Bodycount ist enorm hoch. Dazu noch diffizile Thematiken (z.B. Organhandel), viel nackte Haut - Soldatinnen laufen grundsätzlich im engen Shirt herum - sowie softpornografische Szenen. Und dies alles wird dann zunehmend durch den lockeren Umgangston und das teils fast beiläufige Töten der beiden Protagonisten gebrochen. Man muss einfach an Exploitation denken, zumal manche Charakterentwicklungen losgelöst wirken. Es stellt sich dann also doch etwas vom Geist der ruchlosen 80er ein, auch wenn damals im Fernsehen das A-Team nie jemanden erschoss.
Trotzdem oder gerade deswegen: Strike Back unterhält! Besonders in der zweiten Staffel, die sich noch öfters auf die erste rückbezieht. Vielleicht wird in der kommenden Season 3 der entlastende Humor wieder etwas zurückgefahren und die Charaktere mit mehr Tiefe und Nachdenklichkeit ausgestattet - aber obschon aus Strike Back nie ein The Shield werden dürfte, so ist es zumindest eine schnörkellose Actionserie. Mit Blut und Titten. Und das will Mann doch auch.
Chris Ryan's Strike Back (Staffel 1) | UK 2010 | Written by Jed Mercurio, Alan Whiting, Robert Murphy | Darsteller: Richard Armitage, Andrew Lincoln, Jodhi May, Shelley Conn, Colin Salmon u.a.
Strike Back: Project Dawn (Staffel 2) | UK/USA 2011 | Written by Frank Spotnitz, Richard Zajdlic, Simon Burke, Tony Saint | Darsteller: Philip Winchester, Sullivan Stapleton, Amanda Mealing, Eva Birthistle, Rhashan Stone, Michelle Lukes u.a.
2001 ging dann 24 auf Sendung und schuf sich ein eigenes Subgenre basierend auf Echtzeit, Splitscreens, Agenten, Terroristen, Verrätern, Massenvernichtungswaffen, Überwachung, Folter, Worst-Case-Wendungen und Kiefer "Jack Bauer" Sutherland. Nur diese explosive Mischung ließ die Serie (irgendwie) acht Staffeln lang funktionieren, aber ob 24 qualitativ wirklich mehr war als erstklassig produzierter Law-and-Order-Trash, ist sicher diskutabel. Obwohl bereits in Staffel 1 ultimative Bedrohungsszenarien bemüht wurden, lief die letzte Folge erst 2010. Es dürfte kaum ein Unterhaltungsprodukt geben, das so sehr die US-amerikanischen Umwälzungen in Politik und Kommunikation dieser Zeit wiederspiegelte. Eine Actionserie im Geiste der krawalligen 80er war 24 jedoch nicht, auch wenn ihnen das Motiv vigilantistischer Einzelkämpfer gemein ist.
Strike Back ist ebenso wenig ein Vertreter vergangener Zeiten, bewegt sich aber zunehmend zwischen grimmigem "Survival of the Strongest" und humorvollem Schusswaffengebrauch: (Buddy-)Actiongülle in Serie. Die erste Staffel zeigt in Doppelfolgen drei Auslandseinsätze des reaktivierten Soldaten John Porter für die geheime "Sektion 20" im britischen Geheimdienst. Obschon es einige deftige Szenen gibt, leidet die Serie noch unter einem nicht immer logischen Drehbuch. Zudem passt Hauptdarsteller Richard Armitage meiner Meinung nach mehr zu einem James Bond'schen Agenten und nicht zu dem harten Hund John Porter. Angesichts ihrer aktuellen Rollen erwähnenswert sind noch Andrew Lincoln (The Walking Dead) als etwas zwielichtiger Befehlshaber und Shelley Conn (Terra Nova) als Innendienstlerin, die Porter verordneten Aufbausex angedeihen lässt.
Zwei Besonderheiten zeichnen Strike Back aus: Aus 24 bekannte Überwachungstechnik sowie Spezialausrüstung kommt fahrlässig wenig zum Einsatz (was auch manch fragwürdige Wendungen begünstigt), dies wird durch internationale Schauplätze wie Irak oder Afrika kompensiert. Desweiteren ist die Serie erstaunlich kritisch gegenüber den USA, die hier alles andere als gut wegkommen - ein Kommentar zum Verhältnis Englands als Verbündeter und doch nur Handlanger des "großen Bruders"?
Inszenatorisch ist Strike Back ordentlich gelungen, manche Schusswechsel geraten wegen simplen Schuss-Gegenschuss-Verfahren leider undynamisch. Dafür lässt die Serie ein ziemlich düsteres Menschenbild durchblicken, in dem ein Leben nichts zählt und ohne Zögern beendet wird. Der Kunstblutverbrauch ist erstaunlich hoch, Folter wird jedoch weitgehend vermieden.
Die zweite Staffel bringt eine Menge Veränderungen, am offensichtlichsten den Austausch der kompletten Charaktere. Richard Armitages John Porter wird durch die physisch passenderen Michael Stonebridge und Damien Scott ersetzt, dargestellt vom Philip Winchester (Camelot, ohne Rittermähne ist sein Kinn wirklich furchterregend) und Sullivan Stapleton (perfekter US-Boy, wenn auch Australier). Die neuen Nebenfiguren sind leider recht farblos, außer vielleicht Amanda Mealing als kühle MILF, äh, Befehlshaberin. Grund für die Änderungen dürfte die Zusammenarbeit mit einem US-Sender sein, das brachte zudem neue Drehbuchautoren wie Frank Spotnitz (Akte X) an Bord - mit der Folge, dass die Geschichten deutlich wasserdichter wurden. Das Konzept der internationalen, meist heruntergekommenen Handlungsorte wurde beibehalten und die Kommandozentrale reist auch herum, ist so direkter ins Geschehen eingebunden. Kritische Breitseiten gegen die USA gibt es nicht mehr und mir scheint, dass die Souveränität anderer Staaten jetzt öfters leichtfertig missachtet wird.
Wie in Staffel 1 bilden jeweils zwei der nun zehn Folgen einen Einsatz, die jedoch stärker miteinander verwoben sind. Es gibt Geheimnisse, aber Verschwörungen und Maulwürfe im 24-Ausmaß kommen nicht vor. Nach einer Kennenlernphase sind die beiden Protagonisten dann zusammengeschweißt und agieren wie eine Army of Two auf der Jagd nach einem Oberterroristen. Hier vollzieht sich der Wechsel in der Atmosphäre: Grundsätzlich bleibt Strike Back eine tödliche Serie, die wenig Erbarmen mit seinen Figuren zeigt und das Überleben quasi zur Ausnahme macht. Wenn jemand unter Blutfontänen zu Boden geht, wird ihm meist noch mit der Pistole in den Kopf geschossen. Strike Back dürfte den Rekord an Kopfschüssen halten und der Bodycount ist enorm hoch. Dazu noch diffizile Thematiken (z.B. Organhandel), viel nackte Haut - Soldatinnen laufen grundsätzlich im engen Shirt herum - sowie softpornografische Szenen. Und dies alles wird dann zunehmend durch den lockeren Umgangston und das teils fast beiläufige Töten der beiden Protagonisten gebrochen. Man muss einfach an Exploitation denken, zumal manche Charakterentwicklungen losgelöst wirken. Es stellt sich dann also doch etwas vom Geist der ruchlosen 80er ein, auch wenn damals im Fernsehen das A-Team nie jemanden erschoss.
Trotzdem oder gerade deswegen: Strike Back unterhält! Besonders in der zweiten Staffel, die sich noch öfters auf die erste rückbezieht. Vielleicht wird in der kommenden Season 3 der entlastende Humor wieder etwas zurückgefahren und die Charaktere mit mehr Tiefe und Nachdenklichkeit ausgestattet - aber obschon aus Strike Back nie ein The Shield werden dürfte, so ist es zumindest eine schnörkellose Actionserie. Mit Blut und Titten. Und das will Mann doch auch.
Chris Ryan's Strike Back (Staffel 1) | UK 2010 | Written by Jed Mercurio, Alan Whiting, Robert Murphy | Darsteller: Richard Armitage, Andrew Lincoln, Jodhi May, Shelley Conn, Colin Salmon u.a.
Strike Back: Project Dawn (Staffel 2) | UK/USA 2011 | Written by Frank Spotnitz, Richard Zajdlic, Simon Burke, Tony Saint | Darsteller: Philip Winchester, Sullivan Stapleton, Amanda Mealing, Eva Birthistle, Rhashan Stone, Michelle Lukes u.a.
Apropos The Shield, sehe ich mir auf Deine Empfehlung hin grade an. Gefällt mir. Nicht so Tatort-mäßig wie The Wire. Was mit allerdings sauer aufstößt ist der Subplot um den homosexuellen Straßencop. Es wird zwar ab und an mal angedeutet dass das wegbeten der Homosexualität seine Grenzen haben könnte, aber auch drei Staffeln später bleibt der Konflikt aus. Passiert da noch was, oder schweigt man aus Angst vor der religiösen Rechten das Thema nun einfach tot? "Gründe eine Familie, dann bist du nicht mehr schwul" ist als Message einer aktuellen Serie wirklich wirklich bitter.
PS: Kein Witz, hast Du Dir mal "Alarm für Cobra 11" oder "Lasko" angesehen? Das kommt den idealisierten 80er schon ganz schön nahe. Kein Inhalt, aber viele schlecht choreographierte Prügelszenen und übertriebene Explosionen. Als besonderen Bonus gibt es Schauspieler und Locations die bei ihrem versuch Internationale Coolness und harte Action darzustellen das provinzielle so fürchterlich betonen.
The Shield: Es gibt da immer mal wieder kleinere Eskalationen, aber es bleibt eine Nebenstory, wenn ich mich recht erinnere. Ich würde nun aber auch nicht sagen, dass die Behandlung des Motivs nur auf "Beten gegen Homosexualität" reduziert werden kann, auch wenn diese Deutung nicht abzutun ist. Ich glaub, die weibliche Polizisten brachte das Thema ja hin und wieder zur Sprache.
Gefühl: Anfang der 2000er war es "in" bei US-Serie, Homosexualität offen/plakativ zu behandeln (Six Feet Under). Aber die Schreiber von The Shield merkten dann schnell, dass sie darauf eigentlich keinen Bock haben und setzten den Fokus anderweitig.
Hehe, die deutschen Serien hab ich in der Tat komplett ausgeblendet, aber es stimmt, dass Cobra 11 wohl vom Konzept heutzutage ziemlich einzigartig sind. Ehrlich gesagt fand ich's damals wie auch Lasko schwer erträglich bzw. bis auf paar Autobahnstunts öde - hat sich da was getan (wohl kaum)? Wie du schreibst: Die wollen so bemüht cool sein.
Und was in meinem Strike-Back-Artikel wohl leider nicht deutlich wurde: Einfach eine Neuauflage vom A-Team will ich nicht, Charaktertiefe und Handlungsbögen heutiger Zeit will ich nicht mehr missen. Man müsste es aber halt mit brachialer Action kombinieren.